„Currywurst Pommes“ reloaded
– Weiteres Licht ins Dunkel der Umsatzbesteuerung bei der Abgabe von Speisen –
Nach der EuGH-Entscheidung in den verbundenen Rechtssachen Bog u.a. vom 10.03.2011 (Az C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09) erfolgte am 24.08.2011 die Veröffentlichung von 2 Nachfolgeentscheidungen des BFH, Urteil vom V R 18/10 und V R 35/08 vom 30.06.2011).
Konsequenzen in Kurzform
- Die Abgabe von Speisen zum Verzehr im Stehen unterliegt als Lieferung dem ermäßigten Steuersatz von 7 %.
- Die Abgabe von Speisen zum Verzehr im Sitzen unterliegt als sonstige Leistung dem Regelsteuersatz von 19 %.
- Eine Berücksichtigung fremder Sitzgelegenheiten beim leistenden Unternehmer findet nicht mehr statt (insoweit Änderung der Rechtsprechung).
Einzelheiten:
Die Entscheidungen des BFH betreffen nur die Fallkonstellationen bei Würstchen- bzw. Imbissbuden und vergleichbaren Einrichtungen, nicht jedoch Partyservice-/Cateringunternehmen. Dem EuGH folgend bestätigt der BFH, dass die Abgabe standardisiert zubereiteter Speisen (Bratwurst, Currywurst, Pommes etc.) zum Verzehr im Stehen auch bei Benutzung eines Ablagebrettes einer Würstchenbude („umlaufende Verzehrtheke“) selbst bei deren Überdachung nicht zur Annahme einer sonstigen Leistung berechtigt. Damit liegen in diesen Fällen stets Lieferungen (7 %) vor, unabhängig davon, ob die Bratwurst etc. an der Bude (einschließlich eines Stehtisches) oder „unterwegs“ verzehrt wird.
Das Element des Zubereitens ist bei standardisiert zubereiteten Speisen in diesen Fällen im Rahmen der vorzunehmenden qualitativen Beurteilung aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers von untergeordneter Bedeutung und beeinflusst die Leistungsart nicht.
Achtung: Noch nicht entschieden ist, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen z.B. bei einem Partyservice die Zubereitung der Speisen bei nicht lediglich standardisierten Verfahren (also mehr als nur Frittieren) möglicherweise zu einem entscheidenden, prägenden Leistungselement erstarkt.
Die Fälle der einfachen Würstchenbuden ohne jegliche vom leistenden Unternehmer selbst zur Verfügung gestellten Sitzgelegenheiten sind damit höchstrichterlich zugunsten der Unternehmer geklärt. Die bisher von der Rechtsprechung vorgenommene Zurechnung der Nutzung fremder Verzehreinrichtungen (z.B. auf Straßenfesten, Jahrmärkten etc. z.B. des Standnachbarn) wurde ausdrücklich aufgegeben.
Bedeutung der Sitzgelegenheit
Die Abgabe von Speisen zum Mitnehmen ist nach wie vor als Lieferung anzusehen, wenn es sich um standardisiert zubereitete Speisen handelt. Sobald allerdings eine vom leistenden Unternehmer selbst zur Verfügung gestellte Sitzgelegenheit zum Verzehr der Speisen genutzt wird, liegt insgesamt eine einheitliche sonstige Leistung (19 %) vor. Dies gilt nach Auffassung des BFH bereits bei einer im freien aufgestellten Bierzeltgarnitur, d.h. einer wohl unstreitig sehr einfachen Sitzgelegenheit. Eine restaurantartige Atmosphäre oder auch nur eine Zurverfügungstellung eines temperierten Raumes ist hingegen nicht erforderlich, um den Charakter der Leistung in Richtung der sonstigen Leistung zu prägen. Auch wenn die Begründung insoweit nicht unbedingt zu überzeugen vermag, da man einer einfachen, behelfsmäßigen Sitzgelegenheit ebenfalls eine untergeordnete Bedeutung hätte zusprechen können, ist so ein einfaches Unterscheidungskriterium gefunden worden.
Beurteilung und Aussichten
Die Rechtsprechung nähert sich Stück für Stück einem möglichen Ende der Ungewissheit in der Beurteilung dieser Alltagsangelegenheiten. Die Änderung der Rechtsprechung hinsichtlich der Zurechnung fremder Verzehreinrichtungen spricht für einen mindestens teilweisen Einzug der Vernunft. Was allerdings nicht ersichtlich erscheint, ist der Vergleich folgender Sachverhalte: Die Abgabe von Nachos mit Käse-Dip im Kino, die im Kinosaal sitzend verzehrt werden, wird als Lieferung mit 7 % besteuert; die Abgabe einer Currywurst mit Ketchup, vor dem Kino auf einer Bierzeltbank verzehrt, wird hingegen als sonstige Leistung mit 19 % belastet. Der argumentative Unterschied liegt der Rechtsprechung folgend darin, dass die Kinosessel nicht vorrangig als Verzehreinrichtung gedacht sind …
Die Entscheidung des BFH, bereits schlichte Sitzgelegenheiten als schädlich für die ermäßigte Besteuerung anzusehen, entzieht zumindest von vornherein einer Diskussion über Art, Umfang und Beschaffenheit der Sitzgelegenheit für eine Qualifizierung der Abgabe von Speisen als sonstige Leistung den Boden: Wenn bereits eine Bierzeltgarnitur „schädlich“ ist, muss dies auch bereits für alle anderen einfachen Sitzmöbel (z.B. Gartenstühle, Plastikmöbel etc.) gelten.
Bis zum Ergehen des BMF-Schreibens zur allgemeinen Anwendung der Urteilsgrundsätze sollte eine abschließende Erledigung der betroffenen Streitfälle durch die Finanzverwaltung wohl noch zurückgestellt werden. Allerdings sind die Kriterien für die Abgabe standardisiert zubereiteter Speisen nun festgelegt.
Gestaltungsmöglichkeiten: Für die Zukunft sind betroffene dahingehend zu prüfen, ob auf das Vorhalten von Sitzgelegenheiten vielleicht ohne Umsatzeinbußen ganz verzichtet werden kann. Schließlich verbleibt auch weiterhin das Problem, gegenüber der Finanzverwaltung das Verhältnis der „stehenden“ (bzw. außer Haus) und „sitzenden“ (bzw. im Haus) Umsätze nachzuweisen.