Grenzüberschreitende Zusammenveranlagung (BFH)
Unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Staatsangehörige der EU/des EWR können die Zusammenveranlagung mit ihrem im EU/EWR Ausland lebenden Ehegatten auch dann beanspruchen, wenn die gemeinsamen Einkünfte der Ehegatten zu weniger als 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die ausländischen Einkünfte der Ehegatten den doppelten Grundfreibetrag übersteigen (BFH, Urteil v. 8.9.2010 – I R 28/10; veröffentlicht am 22.12.2010).Dies gilt seit der Neufassung des § 1a Abs. 1 EStG 2002 durch das JStG 2008.
Sachverhalt: Der Kläger war im Streitjahr 2008 im Inland als Arbeitnehmer beschäftigt und unterhielt dort aus beruflichen Gründen einen doppelten Haushalt. Er erzielte Einkünfte in Höhe von 27.292 EUR. Seine Ehefrau wohnte im Streitjahr in Polen am Familienwohnsitz und bezog ausweislich der „Bescheinigung EU/EWR“ Einkünfte in Polen von umgerechnet 9.849 EUR. Der Kläger und seine Ehefrau beantragten die Zusammenveranlagung. Dies lehnte das beklagte Finanzamt mit der Begründung ab, die Grenzwerte des § 1 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2008 seien überschritten. Er erließ einen Einkommensteuerbescheid, mit dem er lediglich den Kläger zur Einkommensteuer veranlagte.
Dazu führt der BFH weiter aus: Die Wendung „Bei Anwendung des § 1 Absatz 3 …“ in § 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG 2002 n.F. kann nicht so verstanden werden, dass die Einkünfte der Ehegatten auch bei unbeschränkt Einkommensteuerpflichtigen i.S. von § 1 Abs. 1 EStG 2002 n.F. die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG 2002 n.F. erfüllen müssen. Die Vorschrift ordnet die Anwendung des § 1 Abs. 3 EStG 2002 n.F. nicht an, sondern setzt sie voraus und bestimmt, wie in diesem Fall zu verfahren ist. Dies folgt auch aus der Gesetzesbegründung (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/7036, S. 10). Danach soll bei nach § 1 Abs. 1 EStG 2002 n.F. unbeschränkt Einkommensteuerpflichtigen, die die Zusammenveranlagung mit ihren im Ausland lebenden Ehegatten gemäß § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2002 n.F. beantragen, aus Gründen der Gleichbehandlung der intakten mit der gescheiterten Ehe (§ 1a Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F.) das Erfordernis aufgegeben werden, dass nahezu alle ihre Einkünfte der deutschen Einkommensteuer unterliegen müssen. Wäre dennoch zu prüfen, ob die inländischen Einkünfte der Ehegatten mindestens 90 v.H. der gesamten Einkünfte erreichen und die im Ausland erzielten Einkünfte nicht höher als der doppelte Grundfreibetrag sind, würde die bisherige Rechtslage weitgehend fortgeschrieben.